Vor kurzem illustrierte ich einen unser Beginner Workshops mit einem Foto welches meinen Kollegen Holger in Titibasana zeigt.
Prompt bekam ich ein paar nicht so nette Kommentare zu diesem Bild in Verbindung mit einem Yoga Beginner Workshop
Angeber Pose, viel zu schwer, das kann doch kein Anfänger das ist viel zu fortgeschritten, das schreckt total ab, reinstes Ego posing, immer diese Yoga Angeber, die extreme Asanas posten um sich zu feiern.
Lassen wir diese Kritik einfach mal so dahingestellt.
Die Kritikerinnen (sorry es waren tatsächlich nur Frauen die das Bild verärgerte) hatten mit einem Punkt auf jeden Fall Recht. Titibasana ist keine Anfänger Asana und das sieht auch jeder sofort.
Niemand der mit Yoga beginnt gibt sich der Illusion hin, diese Asana einfach so einnehmen zu können.
Aber was wäre denn im Sinne der obigen Kritikerinnen eine echte Beginner Asana?
Gibt es denn, überhaupt Beginner Asanas?
Oder ist das ein Trugschluss?
Zu Beginn jeder Yogapraxis, im speziellen im Ashtanga, steht der Sonnengruß.
Eine einfache Abfolge von Asanas, die jeder glaubt mehr oder weniger sofort mitmachen zu können.
Hätte ich also Asanas aus dem Sonnengruß als Aufmacher zum Beginner Workshop gepostet wäre die erlebte Kritik wohl ausgeblieben.
Die einzelnen Asanas des Sonnengrußes sind BASIC, da wären sich alle einig.
Keine der Kritikerinnen wäre zu obigen Kommentaren angestachelt worden
Sorry aber bei genauerer Betrachtung liegen sie komplett falsch.
Jetzt nicht gleich schimpfen, sondern weiterlesen 😉
Nicht umsonst sagt der Gründer des Ashtanga Yoga, Patthabi Jois:
„der Sonnengruß beinhaltet in sich eine gesamte Yogapraxis.“
Urdva Hastasana, Uttanasana, Ardha Uttanasana, Adho Mukha Svanasana, Urdva Mukha Svanasana, das alles sind sehr herausfordernde Asanas, die erst mal ganz einfach daherzukommen scheinen, bis zu dem Moment wo der Yogi diese Asanas richtig auslotet und vollständig in ihnen arbeitet.
Wenn ich nach locker 10.000 Sonnengrüßen all meine 10 Sonnengrüße die zu Beginn einer jeden Ashtangapraxis kommen in jedem Bewegungsdetail ganz langsam und achtsam praktiziere, dann bin ich danach oft schon total bedient und kann getrost ins Savasana fallen.
Ist der Sonnengruß also wirklich ein Beginner Programm?
Gerade mitten im Sonnengruß wartet eine ganz besondere Herausforderung auf jeden übenden.
Chaturanga, übersetzt der viergliedrige Stock.
Wenn man davon ein Foto sieht,(siehe Bild am Anfang des Artikels) dann sieht das nach nix aus.
Wenn einen, wie in meinem Falle die Freundin darin fotografiert, man diese Position länger halten und für das Foto ganz besonders korrekt einnehmen muss, dann spürt man schnell am eigenen Leib die Herausforderung dieser Asana.
Titibasana sieht schwer aus, wird aber auch erst an den Schüler herangetragen, wenn er schon jahrelang übt.
Chaturanga ist eine „Tag eins“ Asana, wie alle Asanas aus denen sich der Sonnegruß zusammensetzt.
Diese Asana wartet nicht jahrelang in der Ecke auf den Schüler die kommt sofort auf ihn zu.
Ich habe viele Jahre Bankdrücken mit viel mehr als meinem Körpergewicht im Fitnessstudio gemacht, ich konnte locker 50 Liegestütze am Stück.
Ich dachte also ich könnte Chaturanga mit links, ist doch so ähnlich wie ein Liegestütz nur mit eng am Körper anliegenden Armen.
Super Idee!
Hochmut kommt vor dem erschöpften niedersinken auf den Boden.
Mal kurz zum Ablauf.
Aus der Planke werden die gestreckten Arme in den 90° Winkel gebracht wodurch die Ellenbogen auf Höhe des Bauchnabels kommen.
Anders als beim klassischen Liegestütz ist dieses eine Bewegung nach vorne unten.
Sonst kommen die Arme in einen Winkel deutlich unter 90°.
Das schöne ist, diese Bewegung stoppt im anstrengendsten Moment, wenn der Körper soweit abgesenkt ist, dass die Oberarme exakt auf Höhe des Rumpfes sind. ( hab ich schön geschrieben? Naja, schön ist relativ )
Hier mal die kleinen feinen Details des Chaturanga.
Ellenbogen ganz nah am Körper ohne an den Körper angepresst zu werden.
Schulterblätter auseinander in die Rückenmuskulatur eingesaugt, nach außen, hinten gezogen.
Nacken lang und weit.
Kopf, Rücken, Po und Beine eine Linie.
Der ganze Körper ein flaches Brett, nichts hängt durch, nichts wölbt sich nach oben, außer, wenn möglich der Bereich zwischen den Schulterblättern.
Beim absenken aus der Planke in Chaturanga sollen die Schulterblätter nämlich nicht zusammen rutschen und als Flügelchen aus dem Rücken heraustreten.
Auf keinen Fall sollen die Schulterblätter Richtung Nacken ziehen und die Schultern rund machen sonst bekommt man vom Chaturanga schnell mal Nackenverspannungen.
Die Zehen sind aufgestellt.
Die Fersen ziehen energetisch nach hinten.
Der Bauch ist nach innen gezogen.
Die unteren Rippen sind eingezogen.
Der gesamte Körper ist unter Spannung, fest wie ein Brett vom Scheitel bis zur Sohle.
Klingt das anstrengend? Ist es auch!
Damit nicht genug!
Nun gilt es diese Position zu halten, den Körper nach hinten zu schieben über die Zehen zu rollen und sich in den heraufschauenden Hund zu drücken.
Ich habe Bestimmt 2 Jahre gebraucht um diese Beginner Asana wie oben beschrieben einigermaßen korrekt auszuführen.
Ich ziehe meinen Hut vor meinen Schülern, müssen sie doch während ihrer Yogapraxis im Ashtanga knapp 50mal eine Asana ausführen die aus eigener Erfahrung, anstrengender und fordernder ist als klassische Liegestütze.
Das ist wohl auch der Grund, warum ich dem Fitnessstudio kaum das ich mich auf Ashtanga eingelassen habe, tschüss gesagt habe.
Mir reichen meine täglichen Chaturangas als „workout“ (soll man ja nicht sagen im Yoga, ist es aber trotzdem ;-)) )
Das schöne ist, nach ein paar Tausend Chaturangas pro Jahr wird es irgendwann leichter, meistens wenigstens.
Aber dann ist man auch kein Anfänger mehr.
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